Die ICD-10 ist das internationale Klassifikationsschema der WHO. Eine „umschriebene Lese-Rechtschreibstörung“ (LRS) kann laut ICD-10 nur festgestellt werden, wenn:
- eine mindestens durchschnittliche Intelligenz vorhanden ist.
- der Schulbesuch ausreichend und regelmäßig erfolgt ist.
- KEINE psychische Störung vorliegt.
- KEINE Hirnschädigungen vorliegen
In der ICD-10 findet man noch keine Definition der isolierten Lesestörung, in der aktualisierten Fassung, der ICD-11, ist sie jedoch aufgeführt.
Es herrscht heute in der Forschung Einigkeit darüber, dass einer LRS neurobiologische Ursachen zugrunde liegen. Menschen mit LRS verarbeiten Sprache anders.
Zudem spielt auch die Genetik eine Rolle: Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, LRS zu entwickeln, für Kinder höher ist, wenn z. B. auch ein Elternteil davon betroffen ist.
Aktuelle Studien liefern dazu diese Zahlen:
- 3 - 11 % aller Kinder und Jugendlichen weltweit haben eine LRS.
- 2 - 9 % haben eine isolierte Rechtschreibstörung.
- 4 - 7 % haben eine isolierte Lesestörung.
- 2 - 6 % haben eine kombinierte Lese-Rechtschreibstörung.
Hinweise für eine Lesestörung können sein:
- Eine hohe Fehleranzahl beim Vorlesen.
- Eine auffällig langsame Lesegeschwindigkeit.
- Mangelnde oder falsche Betonung beim Vorlesen.
- Gelesenes kann nicht dem Sinn nach wiedergegeben werden.
Hinweise für eine Rechtschreibstörung können sein:
- Schwierigkeiten beim Zuordnen von Lauten zu Buchstaben.
- Probleme beim Zerlegen eines Wortes in seine einzelnen Laute.
- Buchstaben werden fälschlich ausgelassen, vertauscht oder hinzugefügt
- Eine hohe Fehleranzahl beim Schreiben.
Die Fehlerart gibt keinen Hinweis auf Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung: Es gibt keine typischen „LRS-Fehler“.
Zu einer umfassenden LRS-Diagnostik gehören:
- Ein Anamnesegespräch (Entwicklungsprofil des betroffenen Kindes, Situation in der Familie und in der Schule).
- Abklärung, ob ggf. begleitende Störungen vorliegen (z. B. ADHS).
- Intelligenzmessung
- Körperliche Untersuchung (z. B. Überprüfen der Seh- und Hörfähigkeit).
- Durchführung von Lese- und Rechtschreibtests.
Die Diagnose LRS kann erst nach dem Schuleintritt gestellt werden. Es sollten so früh wie möglich Maßnahmen ergriffen werden, wenn im Lese- und Rechtschreibunterricht anhaltende Schwierigkeiten bestehen (länger als sechs Monate)
Bereits im Vorschulalter ist es jedoch möglich, Risikofaktoren für spätere Lese-Rechtschreibschwierigkeiten zu überprüfen.
Dazu gehören z. B.:
- Auffälligkeiten in der sprachlichen Entwicklung
- Probleme beim Zerlegen von Wörtern in Silben
- Probleme beim Unterscheiden von Lauten
Wirksam sind Methoden, die an den Symptomen ansetzen, also immer das Lesen und/oder Rechtschreiben einbeziehen.
Wichtig ist dabei, den Entwicklungsstand eines Kindes beim Erwerb der Schriftsprache genau einzuschätzen und die Übungen individuell zu gestalten.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um eine LRS-Therapie zu erhalten. Erste Ansprechpartner und -partnerinnnen sind Kinder- und Jugendpsychologen bzw. Kinder- und Jugendpsychiater, die eine offizielle Diagnose stellen und zum weiteren Vorgehen beraten können.
Sie können auch Kontakt zu unserer Praxis aufnehmen, um sich zu informieren (gerne per E-Mail).
G. Schulte-Körne & K. Galuschka: Ratgeber Lese-/Rechtschreibstörung (LRS). Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher (Hogrefe).
Elternratgeber auf der Homepage des Bundesverbandes für Legasthenie (BVL):
https://www.bvl-legasthenie.de/images/static/pdfs/bvl/8_Elternratgeber_2018.pdf